(Foto: Rolf Wilkes)
Flüchtlinge – Demografischer Wandel – Zukunft durch Bildung
Neujahrsempfang sieht die Odenwälder Sozialdemokraten den Anforderungen gewachsen
Erbach - Ist der anhaltende Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland wirklich eine Krise oder doch eher eine Chance? Mit dem Wiesbadener Landtagsabgeordneten Ernst-Ewald Roth hat die Odenwälder SPD zu ihrem Neujahrsempfang einen erfahrenen Experten zum Thema eingeladen.
Sonntagnachmittag im kleinen Saal der Werner-Borchers-Halle in Erbach: Der Unterbezirk Odenwaldkreis der SPD hat zum Neujahrsempfang eingeladen, und gekommen sind mehr Personen, als der Raum Sitzplätze hergibt. Vorsitzender Oliver Grobeis (Michelstadt) war sichtlich angetan von diesem großen Interesse. Die Liste der namentlich begrüßten Parteimitglieder, die aktuell oder früher für den Odenwald in Bundes- und Landesparlamente entsandt oder zum Landrat oder Bürgermeister gewählt wurden, war lang. Für den Zuspruch stand ferner ein gutes Dutzend Ehrengäste aus anderen Parteien sowie gesellschaftlich relevanten Gruppen und Organisationen.
Matiaske verbreitet Odenwald-Zuversicht
Bevor mit Ernst-Ewald Roth (Wiesbaden) der flüchtlingspolitische Sprecher der hessischen SPD-Landtagsfraktion ans Rednerpult trat, schickte Landrat Frank Matiaske (inzwischen Dorf-Erbach) zum alles bestimmenden Thema seine Einschätzung voraus: „Integration muss gelingen, wenn wir die richtigen Dinge tun.“ Der neue Kreischef warb für eine optimistische Betrachtung. Diese Entwicklung wie der bereits im zweiten Jahr hintereinander anhaltende Trend von jeweils 50 weiteren Geburten am Gesundheitszentrum in Erbach hätten die Kehrtwende in der demografischen Entwicklung eingeläutet.
Gastredner Roth spannte anschließend den Bogen von den weltweiten Flüchtlingsbewegungen hin zu seinen persönlichen Erfahrungen in den vergangenen Monaten. „Ich besuche jede Woche eine andere Einrichtung, habe erschöpfte Menschen bei ihrer Ankunft in Passau sprechen können und nebenan die Festnahme von Schleppern erlebt“, ließ er die mehr als 120 Zuhörer an seinen Erlebnissen teilhaben. Bevor der Mann Berufspolitiker wurde (Mitglied des Landtags seit 2008), widmete Roth sich bereits 1985 Menschen, die in Deutschland Asyl beantragen. Entscheidend sei, „sich eine Haltung zum Schicksal dieser Menschen zu erarbeiten“.
Weltweit seien knapp 60 Millionen auf der Flucht vor Krieg und Verfolgung; davon die Hälfte im eigenen Land. Von den 1,1 Millionen Zuwanderern im vergangenen Jahr blieben rund 80 000 in Hessen; weitere 50 000 seien bereits auf andere Bundesländer weiterverteilt worden. Noch einmal Passau: Während CSU-Chef Horst Seehofer auf dem Parteitag „die Kanzlerin in unverschämter Weise brüskiert“ habe, habe der Oberbürgermeister der Grenzstadt ihn von geordneten Verhältnissen bei der Flüchtlingsaufnahme überzeugen können, sagte Roth.
Vorfälle wie in Köln dürften nicht verharmlost werden, spannte der Abgeordnete den Bogen zu Themen, die in der Gesellschaft für wachsenden Unmut sorgten. Geltende Gesetze seien nach rechtsstaatlichen Prinzipien gegen Kriminelle anzuwenden – ausnahmslos. Gleichwohl dürfe keine gesellschaftliche Gruppe gegen eine andere ausgespielt werden: „Nicht alle Flüchtlinge sind Täter.“ Und ebenso dringend wie die Unterbringung von Flüchtlingen müsse der Wohnraummangel im Land insgesamt beseitigt werden.
Besonders deutlich fiel Roths Exkurs zur europäischen Grenzpolitik aus: „Dublin war Mist und ist Mist.“ Was Deutschland derzeit erlebe, hätten in den Jahren zuvor Küstenstaaten wie Italien, Griechenland und Spanien durchgemacht – die Hilferufe von Lampedusa seien selbst dann noch übergangen worden, als Papst Franziskus Solidarität unter den Völkern Europas einforderte.
Das Lokale bedient eine interessante Talkrunde
An der anschließenden Talkrunde nahmen neben dem Gastredner die auf Platz zwei zur Kreistagswahl nominierte Rekha Ober (Erbach) und der Fraktionsvorsitzende Raoul Giebenhain (Weiten-Gesäß) teil. Bundestagsabgeordneter Jens Zimmermann (Klein-Umstadt) erfragte als Moderator sozialdemokratische Kernaussagen und Ziele für die nächste Legislaturperiode. Ober warb für den Odenwald als geografisch günstige Region zwischen den Ballungsräumen und – dank Breitband – günstigen Arbeitsbedingungen. Giebenhain: „Bildung ist die zentrale Zukunftsaufgabe.“ Die SPD stehe für kostenfreie Ganztagsangebote und den Ausbau der Schulsozialarbeit.
Eingangs und zwischen den Programmpunkten unterhielt Alexander Bräumer von der Musikwerkstatt auf der Gitarre mit Balladen von Billy Joel und Stevie Wonder. (Bericht: Manfred Giebenhain)
---
Siehe auch: Fotoalbum zum Neujahrsempfang unter "Die neuesten Fotos zum Anschauen"