Foto: Rolf Wilkes Der 11. November markiert bekanntlich nicht nur den Beginn der Karnevalssession; er ist gleichsam als Festtag des Heiligen Martin von Tours mit seinen Laternenumzügen Kindern wie Eltern ein Begriff. In Vergessenheit geraten ist indes die Symbolik der Zahl Elf mit dem 11. November, dem ersten Tag nach dem Ende der Französischen Revolution, die in den Jahren 1789 bis 1799 stattfand und zu den folgenreichsten Ereignissen der Neuzeit zählt. E.L.F. sind zudem die Kürzel für die Schlagworte „Egalité – Liberté – Fraternité“ der Französischen Revolution, die in direktem Zusammenhang mit den Menschenrechten und der neuzeitlichen europäischen Geschichte stehen.
Grund genug für die Odenwälder Sozialdemokraten, mit einem Martinsgansessen am vergangenen Donnerstag, eben dem 11. November, in der Mossautalhalle in Hüttenthal hieran zu erinnern.
Neben Landrat Dietrich Kübler (UWG) konnte SPD-Unterbezirksvorsitzender Detlev Blitz als besonderen Gast Martin Schulz begrüßen, den Vorsitzenden der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament.
Martin Schulz, selbst vor seinem Schritt in die Europapolitik zwölf Jahre lang Bürgermeister in Würselen bei Aachen, schlug in einem mitreißenden Referat den weiten Bogen von der Kommunalpolitik über deutschlandpolitische Themen zur Europa- und Weltpolitik. „Es ist gut, sich besonders in der heutigen Zeit an zwei stilbildende Sätze von Johannes Rau zu erinnern: ‚Sagen was man tut und tun was man sagt’, und: ‚Ein gebrochenes Versprechen ist ein begangenes Verbrechen’, so Martin Schulz zur Abgeordnetentätigkeit auf allen Ebenen. „Worthalten, dazu gehört auch den Menschen zu sagen, ich habe keine Lösung für das angesprochene Problem, statt zu sagen, ja, ja, wir machen das so – und doch wissend, dass man das Wort nicht halten kann. Wer Hoffnungen enttäuscht, braucht sich nicht zu wundern, bei der nächsten Wahl abgestraft zu werden. Im Grunde genommen leben wir in einer Epoche, in der wir (die Politik) gescheitert sind. Es heißt immer: ‚Lasst die freie Wirtschaft zu, lasst die mal machen; das ist doch 19. Jahrhundert, was ihr mit staatlichem Handeln fordert’. Die Erfahrungen der jüngsten Währungs- und Wirtschaftskrise lehren uns etwas anderes. Deshalb ist meine Maxime ein Nein zur Deregulation und ein Ja zur Intervention des Staates auf europäischer Ebene“, so Martin Schulz weiter. Der Chef der Sozialdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament sprach sich mit Nachdruck für die Soziale Marktwirtschaft aus, die im jetzt 500 Millionen Einwohner in 27 Ländern umfassenden Europa genauso gebraucht werde wie weltweit. Wenn Europa geschlossen und in seinen Aktion gebündelt auftritt, ist es stärker als China oder die Vereinigten Staaten von Amerika. Europa müsse seine Macht gerade in der Klimapolitik bündeln. Die Technologien zur Reduzierung des CO2-Ausstoßes sind vorhanden, da ist Deutschland führend; sie müssen aber auch exportiert werden dürfen, forderte Schulz. Die wirtschaftlichen Interessen gelte es zu bündeln, sonst drohen eine Zerlegung in Einzelinteressen und der Zerfall in Einzelstaaten. Weltweite Aufgaben erfordern ein starkes Europa. Dazu brauche es die Partnerschaft sowohl der Amerikaner, wie auch mit den Chinesen. Nicht etwa grundlos kaufe China den Hafen von Piräus, um den gesamten südosteuropäischen Raum mit seinen Wirtschaftsgütern zu versorgen. „Europa muss im 21. Jahrhundert zusammenhalten, sonst wird es scheitern“, so der Europapolitiker.
Martin Schulz erinnerte abschließend zum Martinstag an den 11. November 1918, dem Tag des Waffenstillstands im 1. Weltkrieg, den Franzosen und Engländer als Feiertag begehen: „Die Europäische Union ist nicht perfekt, auch teils defizitär, aber eine Antwort auf die beiden Weltkriege. Wir verfolgen eine Politik der ausgestreckten Hand auf der Grundlage der strukturellen Nichtangriffsfähigkeit unserer Mitgliedsländer“.
Nach diesem mit viel Beifall bedachten Referat und dem folgenden Martinsgansessen diskutierten in einer Talkrunde die stellvertretende SPD-Vorsitzende Martina Köllner, der SPD-Spitzenkandidat Oliver Grobeis, der Vorsitzende der Odenwälder SPD Detlev Blitz und der Fraktionsvorsitzende der SPD im Kreistag Günter Verst Aktuelles aus der Kommunalpolitik. Die Moderation hatte Wilfried Biedenkapp.
Zum Ende des Martinsgansessen hörten die Teilnehmer ein sehr informatives Referat von Nikolaus Kelbert über den Ursprung der Bürgergesellschaft mit den drei Idealen der Französischen Revolution: Egalité, Liberté, Fraternité. Zur Gegenwart: „Es braucht eine entschiedene Parteinahme unserer Gesellschaft zu den sozialen Problemen von heute. Die drei Ideale sind keine nationalen, sondern universelle Parolen, und ein Plädoyer für eine europäische Leitkultur“, so Nikolaus Kelbert abschließend. –rw-