Raoul Giebenhain, SPD-Fraktionsvorsitzender (Foto: SPD) Herr Vorsitzender, Her Landrat, liebe Kolleginnen und Kollegen, nicht erst seit dem Jahr 2014 erleben wir eine beispiellose menschenrechtliche, gesundheitliche und politische Katastrophe. Jeden Tag ertrinken Menschen im Mittelmeer auf der Flucht vor Krieg, Vertreibung, Folter und Mord und viele Länder Europas schauen zu. Es ist eine Zeit, in der auf der einen Seite Eltern ihre eigenen Kinder in Schlauchboote setzen, weil sie keine andere Chance auf ein menschenwürdiges Leben mehr sehen und auf der anderen Seite Rechtspopulisten wie Viktor Orban, Marine Le Pen, Matteo Salvini oder Jaroslaw Kaczynski unverhohlen Wahlkampf mit latenter Ausländerfeindlichkeit führen. Sie setzen auf Abschottung und auf eine Politik der ausgefahrenen Ellenbogen und führen somit die europäische Idee des grenzenlosen Miteinanders und der Solidarität ad absurdum.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, alleine in den letzten zwei Wochen sind über 65 Menschen im Mittelmeer ertrunken. Unter ihnen auch wieder Kinder. Als SPD-Fraktion sind wir davon überzeugt, dass die Fraktion der Grünen heute einen sehr wichtigen Antrag in den Kreistag eingebracht hat. Man kann sich hier und heute natürlich auf den Punkt stellen, dass dieser Antrag die Kreispolitik nicht tangiert, doch dem ist nicht so. Zum einen richtet sich die Initiative Seebrücke ausdrücklich an die Kommunen. Und zum anderen sollten wir angesichts der weltweiten Corona-Pandemie auch als Kreis solidarisch handeln und jene unterstützen, die von dieser Katastrophe besonders schwer betroffen sind. Zehntausende von Menschen sind in diesen Tagen in den Lagern und Sammelunterkünften dem Virus schutzlos aufgeliefert. Die Initiative Seebrücke hat sich gegründet, um diesen Menschen zu helfen. Sie setzt sich für jene ein, die aus Seenot gerettet wurden und verurteilt die Kriminalisierung der Rettung.
Für uns Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten ist es eine humanitäre Selbstverständlichkeit, Menschenleben zu retten. Dieses Gebot sollte uns alle – trotz unterschiedlicher politischer Programme – immer vereinen. Ob aus internationaler Solidarität, christlicher Nächstenliebe oder einfach nur aus Mitmenschlichkeit: Jedes Menschenleben ist wertvoll und muss geschützt werden und an dieser Stelle gilt meine volle Hochachtung und mein Respekt der Bundeskanzlerin und ehemaligen CDU-Vorsitzenden, die trotz des Erstarkens des Rechtsextremismus und der Abschottungspolitik unserer Nachbarn konsequent humanistisch gehandelt hat.
Die Initiative Seebrücke ist eine offene und vielfältige Bewegung mit zahlreichen Möglichkeiten, sich einzubringen. Sie bietet Kommunen mehrere Möglichkeiten, sich solidarisch zu zeigen. Wir sind der Auffassung, dass es bei der Initiative eine Grundlage gibt, der heute alle Fraktionen zustimmen sollten. Diese Grundlage besteht im ersten Punkt, nämlich einer Solidaritätserklärung. Seit der Gründung der Initiative Seebrücke haben sich zahlreiche Kommunen solidarisch erklärt. Sie stellen sich gegen die Abschottungspolitik Europas und bekennen sich zu Humanität und Nächstenliebe. Vor diesem Hintergrund können wir die Kritik, die im Haupt- und Finanzausschuss bereits an der Formulierung des Grünen-Antrags geäußert wurde, nicht teilen. Mit unserer Zustimmung zu dem Antrag stimmen wir nämlich zunächst einmal ausschließlich der guten Absicht der Initiative Seebrücke zu. Ob es dann eine Stufe weitergeht, ob wir geflüchtete Menschen unterstützen, ihnen womöglich einen Neuanfang vor Ort geben, können und werden wir heute nicht entscheiden. Die Grünen haben deshalb auch ganz bewusst die Formulierung verwendet, dass der Kreisausschuss mit einer Prüfung beauftragt werden soll. Diese Prüfung halten wir zum einen für wichtig, um offen darüber zu sprechen, wie wir weiter vorgehen wollen und zum anderen zunächst einmal jene zu hören, die davon betroffen sind – und das sind unsere Städte und Gemeinden und damit natürlich auch unsere Bürgermeister. Die Vergangenheit hat gezeigt, dass die kommunale Familie im Odenwald funktioniert und dass wir in der Flüchtlingspolitik in den letzten Jahren bereits vorbildlich und solidarisch zusammengearbeitet haben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Migration ist und war schon immer Teil unserer Gesellschaft! Statt die Grenzen zu schließen, brauchen wir ein offenes und solidarisches Europa und eine Welt des Friedens und des Wohlergehens aller Bürgerinnen und Bürger. Dafür kämpfen wir Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten seit 1863. Es ist für uns daher eine Selbstverständlichkeit, uns heute mit der Idee der Seenotrettung solidarisch zu erklären und unvoreingenommen zu prüfen, ob und wenn ja, welchen Beitrag wir darüber hinaus leisten wollen und leisten können.
Vielen Dank!
Raoul Giebenhain
SPD-Fraktionsvorsitzender