Dr. Michael Reuter (SPD): Sozialdemokraten stimmen Vertrag von Lissabon zu

Veröffentlicht am 14.05.2008 in Landespolitik
Michael Reuter

Wir dokumentieren nachfolgend die Rede des europapolitischen Sprechers der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Michael Reuter, im Plenum des Hessischen Landtags in Auszügen. Es gilt das gesprochene Wort:

„…, dass wir uns heute hier im Hessischen Landtag mit dem Thema Europa beschäftigen. Und dies zu einem politisch hochaktuellen, ja ich möchte sagen zu einem geschichtlichen Zeitpunkt, wo der Bundestag mit großer Mehrheit dem Vertrag von Lissabon zugestimmt hat und wo die Entscheidung im Bundesrat am 23. Mai unmittelbar bevorsteht. Wir haben deshalb einen Antrag eingebracht, worin wir die Entscheidung des Bundestages begrüßen und worin wir die geschäftsführende Landeregierung auffordern, dem Vertragswerk im Bundesrat zuzustimmen. Und wir wissen es nach der heutigen Regierungserklärung, dass es diesbezüglich zwischen der geschäftsführenden Landesregierung und uns keinen Dissens gibt. Damit ist aber auch klar, dass wir der in dem Antrag der Linken ausformulierten Ablehnung des Lissabonvertrages nicht zustimmen. Dem Antrag des Bündnisses90/die Grünen stimmen wir dagegen ebenfalls zu.

Wir dokumentieren nachfolgend die Rede des europapolitischen Sprechers der SPD-Landtagsfraktion, Dr. Michael Reuter, im Plenum des Hessischen Landtags in Auszügen. Es gilt das gesprochene Wort:

„…, dass wir uns heute hier im Hessischen Landtag mit dem Thema Europa beschäftigen. Und dies zu einem politisch hochaktuellen, ja ich möchte sagen zu einem geschichtlichen Zeitpunkt, wo der Bundestag mit großer Mehrheit dem Vertrag von Lissabon zugestimmt hat und wo die Entscheidung im Bundesrat am 23. Mai unmittelbar bevorsteht. Wir haben deshalb einen Antrag eingebracht, worin wir die Entscheidung des Bundestages begrüßen und worin wir die geschäftsführende Landeregierung auffordern, dem Vertragswerk im Bundesrat zuzustimmen. Und wir wissen es nach der heutigen Regierungserklärung, dass es diesbezüglich zwischen der geschäftsführenden Landesregierung und uns keinen Dissens gibt. Damit ist aber auch klar, dass wir der in dem Antrag der Linken ausformulierten Ablehnung des Lissabonvertrages nicht zustimmen. Dem Antrag des Bündnisses90/die Grünen stimmen wir dagegen ebenfalls zu.

Für uns ist und bleibt der Vertag von Lissabon ein Meilenstein in der Erfolgsgeschichte von Europa, einem Europa, wo es nach den schrecklichen Kriegen der letzen Jahrhunderte seit nunmehr 63 Jahren kein Krieg mehr gegeben hat. Dieses Europa des Friedens schickt sich nun an in dem Vertrag von Lissabon seinen Beziehungen unter den 27 Staaten auf eine moderne und nachhaltige Grundlage zu stellen. Gewiß, auch wir hätten uns durchaus einige Regelungen anders vorstellen können, ich erinnere nur daran, dass wir uns eine europäische Verfassung gewünscht hätten. Bei einer Gesamtbetrachtung stehen wir aber dem Vertrag von Lissabon positiv gegenüber.

Ich möchte auf folgende Punkte des Vertrages von Lissabon hinweisen, die Grundlage für unsere positive Bewertung aus landespolitischer Sicht sind. Diese sind zum einen die Grundrechtecharta, die, sofern alle Mitgliedsstaaten der EU dem Vertragswerk zustimmen, ab nächstem Jahr fast in ganz Europa rechtverbindlich wird. Dass sich Großbritannien und Polen Sonderkonditionen ausbedungen haben, ist aber auch, wie in der Vergangenheit schon öfters erlebt, ein Stück europäische Realität.

Da ist zum anderen die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen, wodurch Europa handlungsfähiger wird. Das Europaparlament und die nationalen Parlamente, und damit auch die Landtage, werden gestärkt. Dies heißt: Europa wird in Zukunft nicht nur eine Veranstaltung von Regierungen sein; nein, die Parlamente und damit auch unser Landtag wird in Zukunft eine gewichtigere Rolle einnehmen. Und das ist gut so! Was wir ebenfalls begrüßen, ist die Einführung eines Bürgerbegehrens, was ebenfalls europaweit einen Fortschritt bedeutet.

Aber auch die kommunalen Rechte werden durch den Vertrag gestärkt: Ich nenne die ausdrückliche Anerkennung des Rechts der kommunalen Selbstverwaltung, den Ausbau des Konsultationsrechts der Kommunen in Europa, die Einführung von Folgeabschätzungsverfahren im Hinblick auf die administrativen und finanziellen Folgen der EU-Gesetzgebung, und die Einbeziehung der Kommunen in die Subsidiaritätsprüfung und eine Stärkung des Subsidiaritätsprinzips. Durch die Installierung eines Subsidiaritäts-Frühwarnsystems und des Klagerechts zugunsten der nationalen Parlamente wird die Kompetenzabgrenzung zwischen EU und den Mitgliedstaaten zukünftig verbessert. Auch der Rat der Regionen wird künftig eine gewichtigere Rolle spielen, indem auch diesem ein Klagerecht zum EuGH bei Verstößen gegen das Subsidiaritätsprinzip und bei Verletzung eigener Rechte eingeräumt wird, was wir auch begrüßen. Das hat aber auch zur Folge, dass, um das Subsidiaritätsfrühwarnsystem nicht ins Leere laufen zu lassen, der hessische Landtag rechtzeitig darüber informiert werden muss, inwieweit Belange des Gesetzgebers tangiert sein könnten. In der Tat ist die Frage, wie geht eigentlich die Subsidiaritätskontrolle praktisch vonstatten, von eminenter Bedeutung. Wir haben hier im Hessischen Landtag zwei Anläufe unternommen, dieses Problem anzugehen. Es gibt den einstimmigen Beschluss des Hessischen Landtages vom 14. Juli 2005, der aber meines Erachtens zu kurz greift. Da gefällt mir im Ansatz im FDP-Gesetzesentwurf vom 27. August letzten Jahres viel besser, der aber nicht mehr im Landtag abgestimmt wurde. Auch wenn dieser Gesetzesvorschlag bei den Kolleginnen und Kollegen in Schleswig-Holstein abgeschrieben wurde, sollten wir diesen Ball wieder aufnehmen und erneut ins Spiel bringen! … Oder sollten wir uns ein Beispiel an anderen Bundesländern nehmen, wo man regelrechte Vereinbarungen zwischen Landesregierung und Landtag abschließen will oder bereits abgeschlossen hat? Ich nenne zum Beispiel unser Nachbarland Rheinland-Pfalz. Hierüber müssen wir im Europaausschuss in der nächsten Zeit unbedingt reden!

Wichtig ist uns dabei, um in ihrem Fahrradbild zu bleiben, Herr Minister, dass nicht das Parlament hinten auf dem Gepäckträger sitzen muss, und die Regierung vorne lenkt! Herr Hoff, sie haben in Ihrer Regierungserklärung von Testläufen gesprochen .Für meine Fraktion ist diese Frage, nämlich der Einbindung des Parlaments in europäische Fragen, der Lackmustest, inwieweit den Worten auch Taten folgen werden! Wenn wir schon in einer öffentlichen Debatte und nicht in der von der Öffentlichkeit abgeschotteten Welt des Ausschusses über Europa reden, so sei es mir gestattet einige Ausführungen darüber zumachen, inwieweit globale ,dass heißt hier europäische Vorgaben mit lokalem, dass heißt hier hessischen Handeln kompatibel sind Und wo für uns als SPD-Landtagsfraktion die Themenschwerpunkte, auch unter Einschluss der europäischen Förderinstrumente, liegen. Wir müssen die Chancen, die uns Europa bietet, produktiv umsetzen. Wer Wettbewerb will, muss dafür sorgen, dass er fair ausgetragen wird und nicht zu Dumpingpraktiken ,zu Abwärtsspiralen bei Löhnen, Umweltbedingungen und Sozialleistungen führt

Wir wollen die Spielräume des EU-Rechts bietet, mit einem hessischen Tariftreuegesetz konsequent nutzen, mit welchem man mehr als bisher Dumpingpraktiken verhindern kann. So wollen wir unter anderem im Bereich von öffentlichen Ausschreibungen Qualität zu fairen Preisen und anständige Löhne sicherstellen. Eines ist aber auch deutlich zu machen: In einer immer mehr globalisierten Welt, werden soziale Standards zum Schutz der abhängig Beschäftigten nur dann greifen, wenn diese Standards europaweit gelten.
Und hier liegt noch ein weiter Weg vor uns!

Das soziale Europa ist für uns kein Schlagwort, sondern ein Auftrag, der mit Leben gefüllt werden muss. Wir meinen, dass nun nach einer Zeit, wo Deregulierung und Privatisierung und dem Marktradikalismus in Europa das Wort geredet wurde, es nun höchste Zeit ist, dass ein Europa der sozialen Marktwirtschaft, der sozialen Verantwortung, der gestärkten demokratischen Institutionen, der Mitwirkung und der Solidarität endlich Wirklichkeit wird. Wenn man bedenkt, dass bis zum Jahr 2013 9,4 Milliarden Euro aus dem Europäischen Sozialfond nach Deutschland fließen werden, dann ist dies auch für uns hier in Hessen Anlass und Auftrag genug ,für gering Qualifizierte, Langzeitarbeitslose, Schulabbrecher und Einwanderer entsprechende Hilfestellungen zu schaffen. Und wir sollten das, was in Europa längst Standard ist, nämlich die Mindestlöhne, endlich in die Tat umsetzen! So wie es Kurt Beck in seiner Rede vor dem Bundestag ausgesprochen hat und wie wir es in unserem Antrag zitiert haben: „Alle Bürgerinnen und Bürger müssen zu anständigen Bedingungen arbeiten können und die Chance haben, mit ihrer Arbeit sich und ihre Familien zu ernähren".

Herr Minister Hoff, Sie haben in ihrer Regierungserklärung betont, dass eine größere Gemeinsamkeit in einer nachhaltigen Klima-, Energie- und Umweltpolitik auf der europäischen Agenda steht. Dem kann man nur zustimmen! Herr Hoff, gilt diese Aussage auch für ihre Partei hier in Hessen? „Die Botschaft hör` ich wohl, allein mir fehlt der Glaube" heißt es, so glaub ich, bei Goethe.( Faust, 1. Akt,1. Szene ) Mal sehen, wie lange es dauert, bis bei der Hessen-CDU die grünliche Farbe wieder ab ist, und die Kohlekraftwerk- und Atomkraftwerk- Befürworter wieder das große Sagen haben werden! Wir jedenfalls werden darauf drängen, dass in diesem Bereich mehr als bisher europäische Fördergelder auf dem Gebiet der nachhaltigen Entwicklung im Bereich des Klimas, der Umwelt und der Natur hier in Hessen zukunftsgerichtet eingesetzt werden. Dies schont und schützt unsere Umwelt und schafft oder sichert Arbeitsplätze auch bei uns hier in Hessen.

Meine Fraktion wird dem Vertag von Lissabon zustimmen, weil durch diesen die große historische Chance besteht, dass in Zukunft Europa handlungsfähiger, demokratischer, bürgernäher und transparenter werden wird, wie es zutreffend in einer Bundesratsdrucksache formuliert wird."

 

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