Betreuungsrecht: Bundesjustizministerin Brigitte Zypries erläutert in Michelstadt das Thema Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht – und kommt fast gänzlich ohne Wahlkampf aus
MICHELSTADT. Natürlich, es ist gerade Bundestagswahlkampf, und nicht zuletzt dieser Tatsache hatte die Odenwälder SPD-Arbeitsgemeinschaft 60plus sicherlich ihren prominenten Gast am gestrigen Nachmittag zu verdanken. Doch die parteipolitische Auseinandersetzung stand bei der sozialdemokratischen Bundesjustizministerin Brigitte Zypries in Michelstadt nur ganz am Rande auf dem Programm – ging es doch bei ihrem Besuch um weit darüberhinaus reichende, sozusagen existenzielle Fragen.
Die Politikerin mit Wahlkreis Darmstadt war gekommen, um das Thema Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht zu erläutern. Dies brachte die Zuhörer in die komfortable Lage, brandaktuell – die jüngste Gesetzesänderung gilt seit 1.?September – und dazu noch aus dem Mund der verantwortlichen Bundesministerin die rechtliche Situation vermittelt zu bekommen. Und Zypries bewies dabei in doppelter Hinsicht keinerlei Scheu: Zum einen suchte sie von Anfang an die Nähe zu ihren Zuhörern und stellte sich mit den beiden aktuell von ihrem Ministerium herausgegebenen Broschüren mitten in den Saal. Zum anderen ließ sie keine der zahlreichen Fragen aus dem Publikum unbeantwortet und ging auf grundsätzliche Punkte ebenso ein wie auf spezielle persönliche Sorgen, etwa wie man als Alleinlebender denn im Notfall für die Beachtung seines schriftlich festgehaltenen Willens sorgen könne.
Wie die Ministerin dabei erläuterte, ist zu unterscheiden zwischen einer Patientenverfügung und einer Vorsorgevollmacht, beides übrigens vollkommen freiwillige Festlegungen. Erstgenannte hält fest, ob und wie ein Mensch im Falle der eigenen Entscheidungsunfähigkeit in bestimmten Situationen medizinisch behandelt werden möchte. Die Vorsorgevollmacht dagegen betrifft die Regelung von Rechtsgeschäften, die der einzelne aufgrund von Unfall, Erkrankung oder Alter nicht mehr eigenverantwortlich regeln kann. Hier gilt es, eine Vertrauensperson zu bestimmen, die nötigenfalls finanzielle Fragen klärt, eine geeignete Pflegeeinrichtung aussucht oder vergleichbare Entscheidungen trifft.
Zur Schaffung rechtlicher Grundlagen habe sich der Gesetzgeber auch deswegen entschlossen, weil sich in früheren Jahren Mediziner bei der Behandlung nicht selten über den erklärten Willen eines Patienten hinweggesetzt hätten. Sie habe seinerzeit viele Briefe bekommen, die ein solches Verhalten beklagt hätten – „die bekomme ich heute nicht mehr“, so die Ministerin. Sie sah sich in dieser Einschätzung von Erika Ober, jüngst noch einmal in den Bundestag nachgerückte Michelstädter Gynäkologin, bestätigt. Es gebe seit einigen Jahren „einen Wandel im Denken der Ärzte“, sagte die Medizinerin, und viele ihren Kollegen begriffen eine vorhandene Willensäußerung inzwischen als hilfreich.
Viel schwere Kost also, um deren Verdaulichkeit sich Brigitte Zypries freilich mit ihrer klaren Sprache und den verständlichen Erklärungen verdient machte. Nonchalant leitete sie schließlich auch zu ihrem Parteigenossen Detlev Blitz über, der sich am 27.?September bekanntlich für die SPD um das Bundestagsdirektmandat im Odenwald bewirbt: „Detlev, jetzt machst Du noch den Werbeblock.“ Stimmt, es ist ja Wahlkampf.
Jörg Schwinn
10.9.2009
Quelle: Echo-Online.de