(Foto: Rolf Wilkes) Mit der Wahl von Thema wie Festredner zu ihrem traditionellen Neujahrsempfang gelang den Verantwortlichen des SPD-Unterbezirks ein Glücksgriff. So war jedenfalls an diesem Abend (29. Januar) im Zeller Dorfgemeinschaftshaus von Bad König übereinstimmend zu hören.
Dr. Wolfgang Gern gelang mit seinem beeindruckenden und oft von Beifall unterbrochenen Vortrag Herz und Seele der Zuhörer zu erreichen.
In Berlin geboren und aufgewachsen, studierte Dr. Gern evangelische Theologie in Heidelberg, danach in Laos, Kambodscha und Süd-Indien, war von 1990 bis 1996 Gemeindepfarrer in Reichelsheim/Odw., anschließend in Mainz tätig und leitet seit Februar 2000 das Diakonische Werk in Hessen und Nassau und ist Sprecher der Nationalen Armutskonferenz. So stellte Detlev Blitz, Vorsitzender der SPD im Odenwaldkreis, den Festredner bei der Begrüßung der zahlreichen Gäste des Neujahrsempfangs vor. Unter ihnen viele Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.
„Es geht um mehr als um die Spannungen zwischen Arm und Reich, es geht um Beteiligung von Betroffenen, um Sozialität und Solidarität und es geht auch um den Anspruch auf sozial-staatliches Handeln“, so leitete Dr. Gern seinen aufrüttelnden Vortrag ein. Demokratie und sozialer Ausgleich gehören zusammen, hatte schon 1974 der damalige Bundespräsident Gustav Heinemann eingedenk der Erfahrungen aus der Weimarer Republik angemahnt. „Die Forderungen nach Demokratie und sozialer Gerechtigkeit sind heute längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, das zeigen auch die Demokratiebewegungen in Nordafrika unserer Tage. Aber nur ein starker Steuerstaat kann ein starker Sozialstaat sein“, so Dr. Gern. Und weiter: „Wir kennen von allen Dingen auf dieser Welt den Preis, aber kaum noch den Wert. Gedacht wird in Geldsummen, Werte wie Menschlichkeit, Warmherzigkeit und dass keiner verloren geht, zählen anscheinend immer weniger. Wir wollen keine Gesellschaft von Suppenküchen oder Tafeln, sondern wir wollen die Schwachen nach dem Subsidiaritätsprinzip in unserer Gesellschaft stützen“, so Dr. Gern unter starkem Beifall der Zuhörer. ‚Wenn ein Mensch nicht genügend für seine Arbeit bekommt, ist das Diebstahl an den Menschen’, zitierte Dr. Gern aus der katholischen Theologielehre (Ratzinger). Ein wachsender Niedriglohnanteil stelle eine große Gefahr für den Zusammenhalt der Gesellschaft dar, war sich der Referent mit den Gästen des Neujahrsempfangs einig. Arbeit sei mehr als Geldverdienen und Armut darf nicht billigend in Kauf genommen werden, um Niedriglöhne durchzusetzen. Verteilungsgerechtigkeit sei nicht nur eine Frage kurzfristiger politischer Entscheidungen, sondern eine entscheidende Frage der Kultur unseres Zusammenlebens. „Alle Menschen haben ein Recht, am wirtschaftlichen und sozialen Leben einer Gesellschaft teilzunehmen“, forderte der Referent, „und das Schlechtreden der Ärmsten muss aufhören“! Dr. Gern zitierte abschließend den Theologen Karl Barth, der nach einem Gottesdienst von einem Gemeindemitglied gefragt wurde: Werde ich meine Lieben im Himmel wiedersehen? Darauf dieser antwortete: Ja, aber die anderen auch!
Oliver Grobeis, SPD-Spitzenkandidat für die Kommunalwahl im Odenwaldkreis, dankte in seinem Schlusswort Dr. Gern für seinen ergreifenden und zugleich mahnenden und mit viel Beifall bedachten Vortrag. Bei musikalischer Umrahmung des Duos Juliane Weber und Roger Uhlmann hatten die Gäste des Neujahrsempfangs danach reichlich Gesprächs- und Diskussionsstoff im voll besetzten Saal des Dorfgemeinschaftshauses. –rw-
Bilder vom: Neujahrsempfang 2011